Die Adoption und alles was damit zusammenhängt, ist für alle Beteiligten sehr emotional und verursacht tiefe Wunden, die die Personen ein Leben lang begleiten.
- Das Adoptivkind muss den Verlust der Mutter verkraften und seinen Platz in der Welt finden.
- Die leibliche Mutter verliert ihr eigenes Kind, welches in ihr gewachsen ist und sie vermutlich behalten hätte, wenn sie gekonnt hätte.
- Die Adoptiveltern müssen Herausforderungen meistern, die sie sich vorher nicht ausmalen konnten. Eventuell mussten sie vor Beginn des Adoptionsverfahrens mit dem Wunsch nach leiblichen Kindern abschließen.
Alle beteiligten Personen durchleben sehr emotionale Zeiten und finden bei einer Adoption zusammen. Als Erwachsene*r kann man die Situation meistern und lernen damit umzugehen. Kinder benötigen jedoch die volle Unterstützung. Ihnen muss immer wieder gesagt und gezeigt werden, dass sie geliebt werden.
Sie müssen verstehen lernen,
- dass es für die leibliche Mutter vermutlich keinen anderen Weg gab als die Adoption,
- dass sie gut sind so wie sie sind und
- dass sie stolz darauf sein sollen, eine besondere Geschichte erzählen zu können.
Meine Eltern haben in meinen Augen alles richtig gemacht, waren offen und ehrlich, wenn es um meine Adoption ging und sind immer für mich da – bis heute. Ihnen war aber nicht bewusst, dass ich meine Gefühle lieber verdrängt habe als darüber zu sprechen und dass mich das Thema unbewusst doch mehr beschäftigte.
Viele Situationen sind unvermeidbar und können dem Kind nicht abgenommen werden, aber ich möchte auf ein paar Fakten aufmerksam machen, die wir uns immer wieder ins Gedächtnis rufen sollten. Auch ich, als Adoptierte, habe bis vor ein paar Monaten noch nie wirklich über diese Punkte nachgedacht. Aber mit diesem Wissen, sehe ich mich noch einmal mit anderen Augen und bin rücksichtsvoller mir gegenüber. Adoptiveltern können mit Hilfe dieses Artikels die Verhaltensmuster ihrer Kinder besser verstehen.
11 Fakten über uns Adoptivkinder
1. Jedes Adoptivkind hat ein Trauma durchlebt, das unbedingt ernst genommen werden muss
Der Verlust der Mutter ist gleichzusetzen mit Tod. Auch wenn das sehr hart klingt, dürfen wir nicht vergessen, was die Trennung von der Mutter für das Kind bedeutet. Die Mutter-Kind-Bindung ist einzigartig und durch nichts zu ersetzen. Wird diese dem Kind genommen, egal in welchem Alter, bricht eine Welt zusammen.
2. Adoptivkinder sollten regelmäßig zur Therapie gehen, um eventuellen negativen Verhaltensmustern vorzubeugen
Hat man eine/n passende/n Therapeut*in gefunden, kann Psychotherapie für alle Menschen, die sich besser kennenlernen möchten, nur eine Bereicherung sein. Adoptiveltern lernen, ihr Kind besser zu verstehen und bekommen wertvolle Impulse, wie sie auf es eingehen können. Auch die Kinder werden bestärkt und lernen offen über ihre Gefühle zu reden. Die Entwicklung des Kindes aus psychologischer Sicht zu sehen, gibt sicherlich noch einmal neue Erkenntnisse.
3. Adoptivkinder brauchen Trost, auch wenn sie es nicht zeigen
Wir sind alle gut darin, unsere Gefühle zu verstecken und stark nach außen zu wirken. Doch uns allen tut es gut, ab und zu mal unseren Gefühlen freien Lauf zu lassen und das sollten Adoptivkinder auch spüren. Sie müssen wissen, dass sie über alles reden dürfen und dass die Eltern zuhören ohne Verurteilung aber mit viel Verständnis und Trost.
4. Kinder verkraften ehrliche, aufrichtige Worte
Ein Verschweigen der Adoption ist keine Option! Das Kind merkt oft selbst, dass es anders ist, macht sich dazu Gedanken und wertet sich eventuell selbst stark ab. Daher sollte mit der Adoption offen umgegangen werden. Beratungsstellen und/oder Therapeut*innen können unterstützen.
5. Adoptivkinder müssen Vertrauen neu lernen
Das Urvertrauen, welches zur leiblichen Mutter bestand, ist zerstört. Vertrauen neu aufzubauen fällt Adoptivkindern nach diesem Schicksalsschlag mehr als schwer und das zieht sich durch ihr ganzes Leben. Jede neue Begegnung wird skeptisch beäugt und unter die Lupe genommen. Wird das Gegenüber für gut befunden, ist aber noch kein Ende in Sicht. Es bleiben immer Bedenken im Hinterkopf, dass die Person es nicht ernst meint, dass sie einen verlässt oder enttäuscht. Wir Adoptierte sind immer in Alarmbereitschaft und gewappnet für die Enttäuschung.
6. Adoptivkinder entwickeln eine dauerhafte Vigilanz für alle Situationen und sind sehr vorsichtig und skeptisch
Vigilanz bezeichnet in der Psychologie einen Zustand der Daueraufmerksamkeit. Sind wir zum Beispiel ängstlich oder skeptisch einer Situation gegenüber, richten wir die volle Aufmerksamkeit darauf und blenden andere Dinge aus. Wir Adoptierte entwickeln oft eine übermäßige Vigilanz, da wir immer nach Gefahren Ausschau halten und die Wachsamkeit unseren Alltag bestimmt. Wir müssen uns immer wieder klar machen, dass wir sicher sind.
7. Adoptivkinder, die offensichtlich anders aussehen als ihre Eltern, sind von Anfang an sehr vielen Fragen ausgesetzt und müssen sich immer erklären
Wer möchte denn seine ganze Lebensgeschichte einem Fremden in den ersten 5 Minuten des Kennenlernens erzählen? Vermutlich niemand, aber genau damit werden wir Adoptierten, die vom Aussehen nicht in die Familie oder auch nicht in das Land passen, konfrontiert. Tagtäglich. Mit Fragen über die Herkunft und die Adoption, aber auch durch Verwunderung, dass man so gut Deutsch spricht oder das Anfassen der Haare.
8. Adoptivkinder passen sich oft an, um in die neue Familie zu passen und unterdrücken die eigenen Bedürfnisse
Adoptivkindern sollte von Anfang an das Gefühl vermittelt werden, dass ihre Bedürfnisse wichtig sind und dass sie sie äußern dürfen. Aus Angst wieder verlassen zu werden, werden die eigenen Bedürfnisse hinten angestellt. Auf lange Zeit gesehen führt das zu Frust und Ärger und macht krank.
9. Adoptivkinder flüchten oft in Tagträume um der Realität zu entkommen
Bei all den Herausforderungen, die Adoptivkinder im Außen sehen (z.B. Perfektionismus) suchen sie sich einen sicheren Platz um dem Stress zu entfliehen. Auch das Ausmalen von bevorstehenden Situationen, um auf alles vorbereitet zu sein, zählt hier dazu. Wir leben in unserer eigenen Welt.
10. Adoptivkinder kämpfen ihr Leben lang mit Bindung und Autonomie
Alle Kinder finden im Laufe der Jahre eine Balance zwischen Bindung und Autonomie. Wir sind soziale Wesen und die Bindung ist absolut notwendig. Für uns Adoptierte ist das eine etwas größere Herausforderung. Wir brauchen die Bindung ebenso wie Nicht-Adoptierte, vermutlich noch viel mehr, allerdings ist unser Selbstschutz so stark ausgeprägt, dass wir uns nie zu 100% einer Person hingeben können. Um erneutem Verlassenwerden oder einer Enttäuschung vorzubeugen, stoßen wir unser Gegenüber immer wieder zurück.
11. Adoptivkindern fehlt ein Teil ihrer Identität
Wir wachsen bei Familien auf, die komplett unterschiedliche Charakterzüge, Werte und Vorstellungen haben. Das führt dazu, dass uns immer wieder vor Augen gehalten wird, dass wir anders sind. Dies verstärkt sich oftmals bei Adoptivkindern noch, wenn auch leibliche Kinder in der Familie aufwachsen.
Adoptieren Paare ein Kind aus einer anderen Familie, womöglich aus einem anderen Land, kommen noch viele neue Herausforderungen auf sie zu. Es ist absolut großartig, dass es die Möglichkeit der Adoption und/oder Pflegschaft gibt und so viele Paare sich selbstlos um andere Babys und Kinder kümmern. Die Erziehung und Entwicklung des Kindes ist von Höhen und Tiefen geprägt. Sollte es mal etwas schwierig werden, mach dir immer wieder diese Fakten bewusst, um dein Kind besser verstehen zu können.
Fallen dir noch weitere Facts ein? Kommentiere gerne unter diesem Beitrag.
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Liebe Anja
Herzlichen Dank für deinen Input an Adoptiveltern, welcher mir sehr geholfen hat, unsere Tochter besser zu verstehen. Ich finde auch deinen Blog sehr wertvoll und bereichernd. Danke!